Industriekultur

In einer Gesellschaft, in der mehr als 2/3 der Menschen ihr Einkommen in den verschiedensten Dienstleistungsbereichen erarbeiten, gibt es kaum noch Kontakte zur industriellen Produktion. Und dort wo es sie gibt, ist die Industrie von heute eher clean und automatisiert. Umso faszinierender empfinde ich immer wieder die Annäherung an die Zeitzeugen der alten und urtümlichen Industrie, die v. a. mit der Kraft von Feuer, Dampf und Wasser die Natur bändigte, Rohstoffe verarbeitete und teils buchstäblich in Produkte goss. Die fotografische Begegnung mit den Sachzeugen der Industriekultur, die ja insbesondere in meiner sächsischen Heimat teils bis auf den frühneuzeitlichen Bergbau zurückgehen, kann schon vom Motiv her sehr vielfältig sein: Berg- und Hammerwerke, Mühlen, Steinbrüche und klassische Fabriken kommen hier in Frage. Nicht alle Stätten der Industriekultur haben den Wandel der Zeiten überstanden, die Grenzen zum Verfall und der Entwicklung der Orte hin zu Lost Places sind oftmals fließend. Und so steht der Fototour selbst oft eine Recherche über das Finden dieser Orte und die Klärung der Zugänglichkeit voraus. Ist dieser Punkt erfolgreich geklärt, dann warten vor Ort die unterschiedlichsten Fotobedingungen: von sicher erschlossenen und ausgleuchteten Museumsbereichen bis zu abenteuerlich verfallenen, einbruchgefärdeten und kaum in Licht getauchten Orten ist tatsächlich alles dabei. Doch gerade die fotografische Entdeckung letzterer Plätze lohnt sich: sie bietet mit großen wie kleinen Motiven Einblicke in eine längst vergessene Arbeitswelt. Und nicht selten werden die Fotos in einigen Jahren die einzigen Zeugnisse sein, die von manchen Relikten der Industriekultur noch erzählen werden.